DMK und der FC St. Pauli setzen auf das Zukunftsmodell Genossenschaft
In einer Zeit, in der große Investoren und Kommerzialisierung den Profi-Fußball dominieren, setzt der FC St. Pauli ein mutiges Zeichen: Als weltweit erster Profi-Fußballverein gründet er eine Genossenschaft, die Fans und Mitglieder aktiv einbindet. Doch was genau macht dieses Modell so einzigartig und welche Parallelen lassen sich zu anderen Branchen ziehen? St. Pauli-Aufsichtsrätin Sandra Schwedler, Oliver Bartelt und Marco Bode diskutieren im DMK-Podcast „Denkfutter“ die Chancen des Genossenschaftsprinzips für Sport und Milchwirtschaft.
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Ein Gespräch:

Oliver Bartelt: Sandra, St. Pauli hat als erster Profi-Fußballverein weltweit eine Genossenschaft gegründet. Warum fiel die Wahl auf dieses Modell?

Sandra Schwedler: Der Gedanke war, unseren Werten treu zu bleiben und neue Wege zu gehen. St. Pauli steht für Teilhabe, Unabhängigkeit und Solidarität. Das Genossenschaftsmodell erlaubt uns genau das: Fans und Mitglieder werden zu Miteigentümer*innen und jede*r hat eine Stimme, unabhängig von der Anzahl der Anteile. Dadurch können wir demokratische Entscheidungen treffen und vermeiden, uns von großen Investor*innen abhängig zu machen. Das ist entscheidend für die Wahrung unserer Identität.

Oliver Bartelt: Auch wir bei DMK leben das Genossenschaftsmodell ja als eine zutiefst demokratische Unternehmensform, die auf dem Prinzip „Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele zusammen“ basiert. Dieser Ansatz ist für uns essenziell, um die Partizipation der Mitglieder zu fördern. Das bedeutet konkret: Unsere Agrargenossenschaft vereint Landwirte, die gemeinsam ihre Produkte verarbeiten und vermarkten. Dies gibt den Mitgliedern Kontrolle über ihre Rohstoffe und sorgt dafür, dass die Gewinne direkt in ihre Genossenschaft fließen.

Marco Bode: Sandra und Oliver: Wie funktionieren eure Modelle konkret?

Sandra Schwedler: Die Genossenschaft hat das Ziel, die Mehrheit am Millerntor-Stadion zu erwerben und es an den Verein zu verpachten. Mit den Einnahmen können wir bestehende Schulden abbauen, insbesondere Kredite für das Stadion sowie aus der Corona-Zeit. Ein Anteil kostet 850 Euro, davon 750 Euro für den Anteil selbst und 32 Euro für Verwaltungsgebühren sowie 68 Euro für Rücklagen. Die Mitglieder profitieren durch gemeinschaftliche Mitbestimmung. Es geht darum zu zeigen, dass es im Profi-Fußball Alternativen gibt, die nicht auf Großinvestor*innen und Kommerzialisierung setzen.

„Unsere Landwirtinnen und Landwirte wollen ihre Milch eben nicht an irgendwen verkaufen, sondern verarbeiten sie in ‚ihrer‘ Molkerei, damit sie alles in eigener Hand haben.”

Oliver Bartelt
Oliver Bartelt
, Global Head of Corporate Communications bei DMK

Oliver Bartelt: Spannend, wie ihr das Genossenschaftsmodell modern interpretiert. Bei DMK haben sich über 4.000 Landwirte zusammengeschlossen, um zusammen ihre Milch und Produkte zu vermarkten. Unsere Mitglieder wollen ihre Milch eben nicht an irgendwen verkaufen, sondern verarbeiten sie in „ihrer“ Molkerei, damit sie alles in eigener Hand haben. Damit ist garantiert, dass alle unternehmerischen Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. Und das am Ende alle erwirtschafteten Erträge auch wieder in der eigenen Kasse landen.

Sandra Schwedler: Das ist auch für uns bei St. Pauli ein ganz entscheidender Punkt. Wir behalten die Kontrolle. Investor*innen könnten zunehmenden Einfluss nehmen – das widerspricht unserer Idee von einem anderen Fußball. Das schützt uns vor externem Druck und sichert die Vereinsintegrität. 

Wichtig ist für uns auch der Aspekt, dass Genossenschaften krisenfester sind. Die Insolvenzrate liegt in Deutschland bei nur 0,1 Prozent. Gemeinschaftliches Handeln macht uns finanziell und strukturell widerstandsfähiger. Genossenschaften verfolgen das Wohl ihrer Mitglieder, nicht die Gewinnmaximierung – das passt zu unserer Philosophie bei St. Pauli. Ein weiterer Vorteil ist die Transparenz: Entscheidungen werden offengelegt und diskutiert, was Vertrauen stärkt. Im Profi-Fußball, wo sich vermehrt viele Fans entfremdet fühlen, ist das ein wichtiger Faktor.

Marco Bode: Welche Vorteile bietet das Modell sonst noch?

Sandra Schwedler: Fußball sollte den Menschen gehören, nicht Konzernen. Dieses Modell sichert, dass unser Stadion in unserer Hand bleibt. Wir können auch Projekte wie den Ausbau des Nachwuchsleistungszentrums angehen und so nachhaltig in die Zukunft investieren.

Oliver Bartelt: Teilhabe ist auch bei DMK ein ganz entscheidendes Thema. Von unseren mehr als 4.000 Mitgliedern engagieren sich permanent rund 10 Prozent in wichtigen Ehrenämtern, vom Aufsichtsrat über den Vorstand bis zum Beirat. Dort werden alle wichtigen Entscheidungen unseres Unternehmens vorbereitet, diskutiert und entschieden. Ein zutiefst demokratisches System.

Marco Bode: Wer kann bei St. Pauli Genosse werden?

Sandra Schwedler: Alle sind willkommen – Fans, Mitglieder oder Sympathisant*innen. Auch Firmen können Anteile zeichnen. Die Genossenschaft ist transparent und inklusiv. Die Beteiligung ist eine Chance, Teil von etwas Größerem zu sein und die Zukunft des Vereins aktiv mitzugestalten. Aber auch wer viele Anteile zeichnet, hat genau eine Stimme.

Oliver Bartelt: Was sind die nächsten Schritte?

Sandra Schwedler: Die erste Zeichnungsphase für die Anteile soll bis Ende Januar 2025 laufen. Wir hoffen, bis zu 30 Millionen Euro einzusammeln, um mit der Genossenschaft die Mehrheit an der Millerntor-Stadion-Betriebsgesellschaft zu übernehmen. Wichtig ist uns, dass dies eine gemeinsame Reise bleibt, getragen von Menschen, die an unsere Werte glauben und den Verein in den Händen seiner Gemeinschaft sehen wollen. Weitere strategische Projekte sollen folgen und somit den FC St. Pauli langfristig stärken.

Marco Bode: Es scheint, als würde St. Pauli erneut eine Vorreiterrolle übernehmen.

Sandra Schwedler: Absolut. Wir zeigen, dass wirtschaftlicher Erfolg und Werte vereinbar sind. Unser Ziel ist, die Balance zwischen Profi-Fußball und Gemeinschaftssinn zu halten und andere Vereine zu inspirieren, neue Wege zu gehen.

Oliver Bartelt: Gerade das Thema neue Wege ist auch bei DMK von herausragender Bedeutung. Die Milchbranche steckt mitten in einem gewaltigen Transformationsprozess, den wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern erfolgreich gestalten. Unsere viel beachteten Erfolge der letzten Jahre in puncto Nachhaltigkeit, Tierwohl, Klimaschutz oder innovative Lebensmittel belegen das eindrucksvoll.

 

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